Theaterfahrt des Leistungsfaches Englisch
Dramen werden für die Aufführung auf der Bühne geschrieben und nicht zum stillen Lesen daheim. Daher war es ein Glücksfall, dass das renommierte Stadttheater Passau im Februar die deutsche Version des Stückes „A Streetcar Named Desire“ von Tennessee Williams auf die Bühne brachte. Nach drei Wochen Unterrichtsarbeit mit dem Stück und vielen investierten Stunden in Projektarbeit rund um den Plot, die Charaktere, das Setting und den Autor belohnte sich der Kurs „Englisch auf erhöhten Anforderungsniveau“ mit dem Besuch von „Endstation Sehnsucht“.
In dem Drama flüchtet sich die alternde Südstaatenschönheit Blanche (dargestellt von Katharina Elisabeth Kram) vor dem Untergang ihrer aristokratischen Welt zu ihrer Schwester Stella (Larissa Sophia Farr), die den impulsiven Arbeiter Stanley (Julian Ricker) geheiratet hat und mit ihm nun in New Orleans lebt. Blanche muss viel verarbeiten: den Selbstmord ihres homosexuellen Ehemanns und den Niedergang ihrer Familienplantage. Doch ihre Verarbeitungsstrategien – Alkohol und Realitätsflucht – gehen sich nicht auf und sie wird zunehmend psychisch instabil. In diesem Zustand muss sie sich nun in die Enge des Apartments ihrer Schwester fügen und gerät zunehmend in Konflikt mit dem ungehobelten Ehemann, dessen moderne Arbeitermentalität und fehlenden Manieren Blanche hochmütig ablehnt. Doch Mitch (Benedikt Schulz), der einzig feinsinnige Mensch in Stanleys Pokerrunde, lässt ein Licht der Hoffnung aufflackern, Blanches Schicksal könne sich zum Guten wenden. Gerne würde man als Zuseher zur Pause das Theater verlassen, um der nun folgenden totalen Zerstörung der Protagonistin entgehen zu können. Die zusehends fragile Blanche wird physisch wie psychisch von Stanley in die Enge getrieben und am Ende sogar vergewaltigt. Ihre letzten zarten Bande zu den ihr positiven gesinnten Menschen werden zerschnitten, als sie letztendlich in ein Krankenhaus für psychisch kranke Menschen abtransportiert wird, weil keiner ihr glaubt. Übrig bleibt eine zutiefst verunsicherte Stella, der Stanley zynisch zuraunt: Alles wird gut, Baby!
Für die meisten Theaterbesucher vom Tassilo-Gymnasium war es eine Premiere im doppelten Sinn: Das Stück unter der Regie von Heinz Oliver Karbus feierte seine Premiere in Passau und die Schülerinnen und Schüler waren zum ersten Mal im Theater. Die Darsteller der Protagonisten leisteten großartige Arbeit, mussten sie doch die bereits bestehenden Vorstellungen und Erwartungen der Kursteilnehmer durchbrechen. Am Ende gelang es dem Vierergespann sogar, diese zu übertreffen. Dass dabei Nuancen zum Vorschein kamen, die beim Lesen des Stücks eher im Hintergrund standen, zeigt, wie sehr eine Inszenierung die Botschaft des Stückes beeinflussen kann. Die Schülerinnen und Schüler haben trotz der weit entfernten Plätze im zweiten Rang am eigenen Leib erlebt, wie sehr man von einem Schauspiel berührt werden kann und durch es die viel besprochene Reinigung erfährt.
Alle Szenenfotos mit freundlicher Erlaubnis des Stadttheaters Passau: ©Stadttheater Passau / Foto: Peter Litvai